Montag, 10. April 2006
Seltsame Gedanken...
Hallo zusammen,
es ist schon komisch, was für seltsame Gedanken einem manchmal so kommen...

Nachdem ich auf dieser Freizeittreffseite 12 Personen angesprochen und diesen dann später auch von meiner TI erzählt hatte, habe ich ja von der Hälfte nie wieder etwas gehört... was ja durchaus meinen Erwartungen entsprach...
Zu einem Treffen kam es aber trotzdem nur mit 2 von 12... die restlichen die zuerst meinten, sie hätten kein Problem mit meiner TI haben sich dann doch zurückgezogen... obwohl zumindest zwei davon sich doch ziemlich positiv anliessen...
Nachdem auch diese beiden dann einen Rückzieher gemacht haben, habe ich schließlich am Donnerstag reichlich frustiert meinen Account bei dieser Freizeittreffseite gelöscht...
Schließlich hatte ich dort schon alles ausprobiert, was möglich war... Ich hatte auf eine Anzeige dort geantwortet, ich hatte selber welche aufgegeben und ich habe ALLE Mitglieder dort, die nicht zu weit weg wohnten, die ungefähr in meinem Alter sind und die ähnliche Interessen angegeben hatten wie ich dort angeschrieben...
Gebracht hat es letztlich herzlich wenig...
OHNE die TI hätte ich wohl immerhin 12 Personen kennenlernen können... so gerade mal zwei...
Wirklich kein gutes Ergebnis...
Jedenfalls machte es unter diesen Umständen keinen Sinn mehr noch länger dort zu bleiben, schließlich hatte ich die Seite dort komplett 'abgegrast'....
Vielleicht hat Anja doch recht, die meint, daß solche Anzeigen, egal ob im Internet oder ganz altmodisch über Zeitungen nicht der richtige Weg sind Menschen kennenzulernen mit denen man dann auch was anfangen kann... Ich zumindest habe auf diesem Weg noch nie jemand gefunden, mit dem sich eine längere Bekanntschaft oder gar eine Freundschaft ergeben hätte... wobei ich natürlich durch die TI die meissten gar nicht erst kennengelernt habe...

Jedenfalls war ich dann am Freitag deswegen doch ziemlich deprimiert... traurig darüber, wieder um eine Hoffnung ärmer zu sein... enttäuscht darüber wie sehr ich nur wegen meiner TI von so vielen Menschen abgelehnt werde, die mich überhaupt nicht kenne... wirklich wegen nichts und wieder nichts... nur wegen der TI... als ob die für eine Freundschaft oder Bekanntschaft eine Rolle spielen würde...
Am Freitag hättet ihr ein Stück weit den Klaus von früher erleben können... in sich verschlossen bis fast zur unansprechbarkeit... Ich habe wirklich nur das Nötigste geredet... Da kann ich dann fast schon unhöflich sein... weil ich in so einer Stimmung alle persönlichen Fragen, die ich nicht beantworten will ignoriere, als hätte ich sie überhaupt nicht gehört...

Jedenfalls... es ist schon sehr seltsam, was für Gedanken mir in dieser Stimmung so gekommen sind...
Ich habe allen erstes darüber nachgedacht zwar nicht die ganze Geschlechtsangleichung rückgängig zu machen - ich bin und bleibe TI und fühle mich als 'Mann' nicht wohl in meiner Haut, nicht in einklang mit mir selbst, dahin will ich ganz bestimmt nicht zurück... - aber ich habe darüber nachgedacht, ob es nicht Möglichkeiten gäbe, mit denen ich einerseits als TI-Frau leben könnte... bei denen ich aber andererseits nicht ständig solche Ablehnungen und Diskriminierungen erfahren zu müssen...

Der Sinn des Transsexuellengesetztes sollte ja eigentlich sein, es den TI's zu ermöglichen sich in ihrem neuen Geschlecht wieder in die Gesellschaft integrieren zu können... wohlgemerkt, das SOLLTE der Sinn sein...

Der Haken an der Sache ist aber leider:
Das Ganze kann nur dann funktionieren, wenn etweder:
*die Transsexuelle so überzeugend weiblich aussieht, daß niemand mehr den 'Mann' bei ihr sehen kann... und natürlich auch niemand von ihrer TI weiss... jedenfalls niemand der ihr Schaden will...
*oder wenn die Gesellschaft so tolerant wäre, daß TI-Frauen einfach als etwas andere, sonst aber ganz normale Frauen akzeptiert werden würden...

So glücklich, daß niemand ihnen den 'Mann' ansieht, sind wohl leider nur ganz wenige TI-Frauen...
Und von einer so toleranten Gesellschaft sind wir noch Lichtjahreweit entfernt, wie ich eben ja mal wieder ganz deutlich zu spüren bekommen habe...

In der Praxis hilft das Transsexuellengesetz den TI's also nur begrenzt weiter...
Es ermöglicht ihnen die rechtliche Anerkennung als 'dem anderen Geschlecht zugehörig' und die Operation und andere medizinischen Eingriffe vornehmen zu lassen...
aber gegen Intoleranz hilft es natürlich überhaupt nicht weiter...
Der gut gemeinte Sinn des Transsexuellengesetzes wird also durch eine intolerante Gesellschaft konterkariert...

Ja und so komme ich eben auf reichlich seltsame Ideen, wie ich diese ewige Ablehnung vermeiden könnte...

Der Witz ist ja:
In den letzten Jahren habe ich im Chat, im Blog und auch im realen Leben immer und immer wieder dasselbe erlebt, nämlich, daß ich allgemein beliebt bin - für mich eine erstaunliche Erfahrung, weil ich doch früher immer dachte niemand mag mich... - daß mich die Menschen 'nett' finden - das Wort habe ich 1000 mal gehört in den letzten Jahren...
Und wenn ich dann irgendwann von meiner TI erzählt habe, war das - zumindest unter meinen weiblichen Bekannten, die Männer haben damit natürlich ein spezielles Problem... - nie irgendein Problem...

Und darum finde ich es ja auch so frustierend, wenn mir über solche Anzeigen dann immer wieder solche Ablehnung wegen meiner TI entgegenschlägt... weil ich ganz genau weiss, daß mich die meissten dieser Menschen durchaus sympathisch finden würden - wenn sie mir - und sich - denn nur die Chance geben würden, sie überhaupt erstmal kennenzulernen...
Aber genau diese Chance bekomme ich in den allermeissten Fällen wegen der TI nicht...

Und um es ganz klar zu sagen:
Ich halte NICHT alle, die sich in solchen Fällen dann wegen meiner TI nicht mehr gemeldet haben für Idioten... auch wenn ich diese Formulierung hier im Blog von Anja's Vater übernommen habe... aber das habe ich nur getan um das Problem zuzuspitzen und damit klarer herauszuarbeiten...
Wenn ich die nämlich alle für Idioten halten würde... dann könnte es mir ja egal sein, daß sie sich nicht mehr gemeldet haben... ja mehr noch, dann müsste ich FROH sein darüber, daß ich auf diese Weise von der Bekanntschaft mit irgendwelchen Idioten verschont geblieben bin...

Aber - auch wenn das vielleicht manchmal ein wenig naiv sein mag - ich habe trotz allem ein positives Menschenbild...
Sicher, es gibt Idioten, das will ich gar nicht bestreiten ;)... aber ich glaube eben nicht, daß alle, die sich wegen meiner TI nicht gemeldet haben deswegen Idioten sind... nein ich denke die meissten sind einfach nur verunsichter, wissen nicht, wie sie mit sowas umgehen sollen... und wenn ich die Gelegenheit bekommen würde mit ihnen zu reden würde sich diese Scheu bei den Allermeissten legen, davon bin ich überzeugt...

Tja und darum kam bei mir eben der Gedanke auf, ob diese 'Unsicherheitsphase' bevor mich die Menschen kennenlernen und andere Formen der Diskriminierungen nicht irgendwie umgehen liesse...

Das fing dann an mit dem Gedanken "Wenn ich als Frau, wegen der TI so abschreckend wirke, vielleicht sollte ich dann in Zukunft beim ersten Treffen als 'Mann' auftreten... und mich dann erst später outen."
Genau so habe ich es ja früher jahrelang im Internet und im wirklichen Leben gemacht... mit großem Erfolg... ohne auf irgendwelche Ablehnung zu stoßen...

Und ich habe diesen Gedanken dann mit der reichlich schrägen Idee auf die Spitze getrieben, daß ich ja erstmal die Geschlechtsangleichung (sprich die OP, die Laser-Haarentfernung und was noch alles vor mir liegt...) hinter mich bringen könnte... nur dann zu sagen:
"April, april, ich hab es mir anders überlegt, ich bin doch nicht transsexuell!"
Das wäre zwar glatt gelogen... aber wenn ich mir vorstelle, was für ein Gesicht die Gutachter und mein Therapeute da machen würden... das würde ich zu gerne sehen ;)...

Nein aber der Witz an der Sache ist:
Wenn ich das machen würde, dann hätte ich einerseits das erreicht, daß ich körperlich Frau bin... das würde ich natürlich NICHT wieder rückgängig machen wollen!!!
Und ich würde auch weiter als Frau leben - wo immer man mich als solche akzeptiert...
Aber andererseits, wenn ich NACH all dem die Vornamensänderung wieder rückgängig machen lassen würde, dann könnte ich in solchen 'Kennenlernphasen' - sei es privat oder beruflich -, wo ich als TI immer große Probleme haben, einfach als 'Mann' auftreten... und erst dann sagen, was mit mir los ist, wenn mich die Menschen kennengelernt haben und ich sicher sein kann, daß es wegen meiner TI keine Probleme geben wird...

Es hat schon eine gewisse bittere Ironie, daß ausgerechnet die Vormensänderung, die eigentlich TI's helfen soll, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren, mir eigentlich nur Probleme macht...
Privat wäre ich schließlich auch ohne juristische Vornamensänderung weiter Klaudia...

Das wäre dann eine Art 'Doppelleben' wie früher... allerdings mit dem Unterschied, daß alle die mich kennen bescheid wissen... nur neue Bekannten nicht...
Und das bisschen Brust kann man ja bei Bedarf kaschieren...

Ich sage ja, es sind seltsame Gedanken, die mir da in den letzten Tagen so gekommen sind...

Und noch eine andere seltsame Idee ist mir gestern gekommen...

Ich bin ja nicht gerade begeistert davon, den Rest meines Lebens Hormone schlucken zu müssen... zumal die bei mir sowieso eher wenig bewirkt haben bisher...

Immerhin ist inzwischen nachgewiesen, das Östrogene das Brustkrebs- das Herzinfarkt und das Schlaganfallrisiko DEUTLICH erhöhen!
Eine Studie, die eigentlich nachweisen sollte, daß Östrogene unschädlich sind musste wegen den massiven Risiken, die sich dabei herausgestellt hatten sogar vorzeitig abgebrochen werden... und dabei haben diese Frauen die Hormone nur relativ kurz genommen, ich dagegen werde sie über jahrzehnte einnehmen müsse, außer ich sterbe vorher...
Ja und um es ganz deutlich zu sagen:
Die Chancen stehen 'gut', daß ich tatsächlich irgendwann DURCH die Hormone sterben werde...

Da frage ich mich schon, ob es keine bessere Alternative dazu gibt...
So ein großes Risiko eingehen... nur für das bisschen Brust, das ich durch die Hormone bisher bekommen habe...???
Für was anderes brauche ich sie schließlich nicht, bzw. zu was anderem taugen sie nicht - zumindest bei mir nicht. Im Gegensatz zu vielen anderen Transsexuellen bin ich auch nicht emotional abhängig von dem Zeug...
Ich bekomme keine Krise, wenn ich mal keine zur Hand habe ;)... und auf meine Gefühlswelt haben sie auch keinen Einfluss... überhaupt keinen...

Andererseits... wenn ich sie absetze geht 'das bisschen Brust' zwar nicht wieder ganz weg... aber aus dem aktuellen 'ziemlich wenig' wird dann 'fast nichts', das habe ich ja gerade erst Ende letzten Jahres ausprobiert, als ich die Hormone zwei Monate lang abgesetzt hatte...
Und 'fast nichts' ist mir dann doch zu wenig...

Ja und da kam mir gestern der Gedanke:
Wäre es vielleicht eine Möglichkeit die Hormone abzusetzen... und mir stattdessen doch Brustimplantate einsetzen zu lassen...?
Das wollte ich ja eigentlich nicht machen lassen...
Und um es ganz klar zu sagen: Es geht mir dabei NICHT um eine große Brust! Darauf kann ich auch verzichten... eine kleine Brust reicht mir auch... aber zumindest ein bisschen Brust brauche ich schon um mich fraulich genug fühlen zu können... und dafür gibt es eben nur die Alternativen: lebenslang Hormone oder Brustimplantate...
Von Brustimplantaten bin ich auch alles andere als begeistert... Ich finde das nicht gerade eine sehr reizvolle Vorstellung, mir zwei Fremdkörper einpflanzen zu lassen...
Aber immerhin sind diese heutzutage wohl inzwischen ausgereift - ich habe mich informiert zu dem Thema - und die Gefahr auszulaufen ist heute wohl kaum mehr gegeben...
Jedenfalls... Implantate haben auch so ihre Risiken und Nebenwirkungen... aber im Gegensatz zu den Hormonen sind es zumindest keine potentiell tödlichen Risiken...

Ja und dann ist da noch die Frage ob der Körper eigentlich Geschlechtshormone braucht...
In einem wissenschaftlichen Buch habe ich vor längerem mal gelesen, daß der Körper entweder männliche oder weibliche Geschlechtshormone brauchen würde, weil er sonst abbauen würde...
Aber andererseits habe ich auch schon gehört, daß erstens männliche Geschlechtshormone den männlichen Körper schwächen würden und andererseits, daß Eunuchen eine HÖHERE Lebenserwartung als andere Männer hätten...
Das passt natürlich überhaupt nicht zu der Behauptung, daß der Körper für seine Gesundheit Geschlechtshormone brauchen würde...
Ja und in der Welt der Wissenschaft wimmelt es ja nur so vor unbewiesenen Behauptungen...
Ich habe zumindest bisher noch keine Studie finden können, die belegt, daß der Körper wirklich Geschlechtshormone braucht um gesund zu bleiben...
Im Web habe ich vergeblich danach gesucht...
Vielleicht ist das also auch mal wieder nur ein Gerücht, das irgendjemand mal in die Welt gesetzt hat...
Möglich, daß es sich ganz ohne Geschlechtshormone tatsächlich besser und länger lebt als mit...

Jedenfalls... ich werde dieses Thema das nächste mal bei Dr. R ansprechen...
Mal sehen ob er mehr weiss und was er darüber denkt...

Zumindest eine Überlegung wert ist es, finde ich... schließlich geht es dabei um meine Gesundheit... und eventuell sogar um mein Leben...

Soviel also zum zweiten seltsamen Gedanken...

Ach ja... und was den ersten seltsamen Gedanken angeht...
Nein ich habe jetzt nicht vor, die Vornamenänderung wieder rückggängig machen zu lassen, wieder als Klaus durch die Welt zu laufen... nur um nicht mehr so oft abgelehnt zu werden...
So bescheuert bin ich dann doch nicht ;)...

Nein stattdessen werde ich, falls ich mal wieder auf solche Kontaktanzeigen antworte erstmal gar nichts von meiner TI sagen... und stattdessen einfach abwarten, welche Reaktionen kommen, wenn ich sie dann zum ersten mal am Telefon meine Stimme hören, bzw. wenn sie mich zum ersten mal live sehen...

Aber für den Moment habe ich jetzt erstmal wieder genug von dieser Art der Kontaktaufnahme...
Ein andermal vielleicht wieder...

Aber wer weiss, vielleicht habe ich bis dahin ja auch längst auf anderem Wege Freunde gefunden, die mich so akzeptieren, wie ich nunmal bin, und brauche mich gar nicht mehr mit solchen Erstkontaktproblemen rumzuägern...

Ach ja... erst gestern habe ich mich mit einer Frau getroffen und vier Stunden lange gut unterhalten, die ich auf andere Weise kennengelernt habe...
Mal sehen, vielleicht wird ja eine Freundschaft oder nette Bekanntschaft daraus...

Viele Grüßle

Aurisa

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Das sind echt recht viele Gedanken und ich kann dich schon verstehen. natürlich kann ich mich nicht in deine Situation reinversetzen. Aber zum Anderssein gehört schon recht viel Stärke und auch selbst Toleranz für die Anderen. Weil die Gesellschaft, bzw. weil wir Menschen nicht wissen wie wir mit "Anders" umzugehen wissen. Deswegen sollte man die Personen nicht gleich verurteilen, die sich bei dir nicht mehr gemeldet haben. Betrachte es lieber so, die die sich von dir abwenden, wären sowieso nicht die Richtigen gewesen und die die bleiben, die bleiben dann auch wirklich deinetwegen.
Wie auch immer bleib dir immer schön treu, und tu was du für richtig hälts. Hege nie Erwartungen gegenüber deinen Mitmenschen, nur an dir selbst kannst du es tun. Ich denke du bist nicht nett, sondern stark, stark genug für dein Leben. Das lass dir von keinem nehmen.

Liebe grüsse

Liam

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Hallo Liam,
auch wenn du das wahrscheinlich nicht mehr lesen wirst:
vielen Dank für deinen Kommentar!
Und... es tut mir leid, daß ich dir nicht rechtzeitig geantwortet habe...
Ich war lange lange nicht mehr hier bei blogger.de...
weil ich mich irgendwann dagegen entschieden habe, hier weiterzubloggen... stattdessen bin ich doch bei http://aurisa.twoday.net/ geblieben...
Ich wünsche dir alles Gute!
Liebe Grüße
Aurisa

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